Reportage: Voller Einsatz für das Leben
In der folgenden Reportage über den Rettungsdienst des DRK-Kreisverbandes Aalen e.V. erfahren Sie mehr über den Alltag unserer Mitarbeiter im Rettungsdienst und die Ausbildung zum Notfallsanitäter. Die Tätigkeit ist mehr als nur ein Job und bedeutet eine echte Berufung.
Was macht ein Notfallsanitäter und wie wird man einer? Wer sich vorstellt, dass dies ein bisschen mehr ist als ein Ersthelfer, der täuscht sich gewaltig. Hier ist die Berufung Beruf: Menschen in Not zu helfen. Eine Aufgabe die weit mehr ist, als einen Rettungswagen zum Unfallort zu fahren. Ein Beruf, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht und der außer tiefem medizinischem Wissen, einiges an Einfühlungsvermögen und eine psychologische Ausbildung abverlangt. Lisa Senger aus Obergröningen ist im 3. Ausbildungsjahr zur Notfallsanitäterin. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr und kam so zu der Entscheidung, diesen Beruf zu erlernen. Ein Medizinstudium schwirrte zuerst in ihrem Kopf herum, das wurde aber wegen der langen Wartezeiten für Studienplätze und der Dauer des Studiums schnell verworfen. Wir begleiten die junge Frau eine Schicht lang auf der Rettungswache in Ellwangen und erhalten dabei einen kleinen Einblick in die Arbeit eines Notfallsanitäters und die oft nicht ganz einfache Tätigkeit.
Es ist 7 Uhr. Die Frühschicht beginnt. Normalerweise geht diese bis 14 Uhr. Wenn aber um Viertel vor Zwei der Alarm schrillt, ist man schon auch mal ein paar Stunden länger unterwegs. Begonnen wird mit der Übergabebesprechung der vorangegangenen Schicht. In diesem Fall war das die Nachtschicht, die von 22 Uhr bis 7 Uhr bereitstand. Es sei keine aufregende Nacht gewesen, berichtet Thomas Rudi, Leiter der Nachtschicht. Gerade mal fünf Einsätze. Fünf!! Als Außenstehender denkt man, dass das doch kaum zu schaffen sei. „Es waren einfach viele kleine Notfälle“, sagt Rudi.
Eine kleine Kaffeepause und schon ertönt der Alarm an den Pagern. Der erste Einsatz steht vor der Tür: Die Leitstelle Ostalb fordert einen Rettungswagen an, der mit Blaulicht zur Unfallstelle fahren soll. Wenige Sekunden braucht das Team, um bereit zu sein und ist in kürzester Zeit am Unfallort. Dort angekommen ist die Polizei auch schon vor Ort, nimmt den Unfall auf und befragt Zeugen. Lisa Senger leitet den Einsatz und sucht schnell das Unfallopfer auf. Eine Rollerfahrerin ist auf einen Kleinbus gefahren. Das Opfer hat Wunden am Kopf und Schmerzen am Knie. Durch gezielte Fragen und Schemata, die in der Ausbildung gelehrt werden, findet die 23-Jährige schnell heraus, wie schwer die Verletzungen sind. Dabei werden unter anderem die Ansprechbarkeit des Opfers, die Vitalwerte, der Puls und die Atmung untersucht. Im Rettungswagen können dann detaillierte Untersuchungen stattfinden. Und es wird entschieden, zu welcher Klinik man fährt.
Der Rettungswagen ist technisch perfekt ausgerüstet, alles ist darauf ausgerichtet keine Zeit zu verschwenden und in Kontakt mit der Leitstelle und den Kliniken genau und präzise zusammenzuarbeiten. Die Leitstelle weiß jederzeit, wo sich welches Fahrzeug befindet. Im Vorfeld werden sämtliche Daten des Unfallopfers an die Klinik übermittelt. Es ist möglich, in schweren Fällen schon vom Unfallort aus zu veranlassen, dass in der Klinik beim Eintreffen des Krankenwagens alles für weitere Maßnahmen – wie eine eventuelle Operation – vorbereitet ist. Lisa entscheidet über die Einlieferung in die Klinik. Nach der Übergabe des Patienten an den behandelnden Arzt ist der Einsatz abgeschlossen und die Sanitäter kehren zur Rettungswache zurück. Die Dankbarkeit der Patienten und das Gefühl helfen zu können, ist eine große Motivation und Freude in diesem Beruf. „Manchmal steht man unter einer großen Belastung und ist Situationen ausgesetzt, die einen sehr fordern können“, erzählt Lisa Senger. „Es ist wichtig, ein hohes Maß an Empathie zu entwickeln, und man lernt eine Dankbarkeit für das Leben und die Dinge, die manch anderem vielleicht als völlig selbstverständlich erscheinen.“ Lisa schwärmt von ihrem Beruf und erzählt, wie viel man über sich selbst lernt. Man traue sich mehr zu, entwickele mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Sie betont: „Man lernt unter hohem Druck im Team zu arbeiten und auch seine eigenen Grenzen zu erweitern.“ „Wer in jungen Jahren bereits täglich auf diese Weise mit Tod und Leid konfrontiert wird, schaut ganz anders auf das Leben. Das hilft einem, sich selbst Gedanken zu machen wie man das Leben bewältigen und vor allem auch wie man leben möchte“, reflektiert sie ihre Erfahrungen. Notfallsanitäter würden viele Schicksale erleben und dadurch lernen, für die eigene Gesundheit sehr dankbar zu sein.
Als nächstes werden die Rettungskräfte zu einem Hausnotruf-Einsatz bei einem Rentner gerufen. Der Hausnotruf muss einmal am Tag vom Inhaber per Knopfdruck betätigt werden, um sicher zu stellen, dass gesundheitlich alles in Ordnung ist. Wird der Knopfdruck nicht innerhalb von 24 Stunden betätigt, wird ein Team des DRK in die Wohnung geschickt, um die Situation zu prüfen. Von jedem Notfallknopfbesitzer hängt ein Schlüssel in der Wache. In der Wohnung angekommen, überprüft das Team jeden Raum. Die Einsatzkräfte vergewissern sich, ob der Eigentümer sich schwer verletzt hat und nicht mehr in der Lage war, den Alarm auszulösen. Eine beklemmende Situation. Doch zum Glück ist alles in Ordnung. Der Rentner ist im Urlaub und hat wohl nur vergessen, sich abzumelden.
Schon auf der Rückfahrt in die Rettungswache erreicht das Team der nächste Notruf: Bandscheibenvorfall und extreme Rückenschmerzen. All das, sowie Namen und Adresse des Patienten, werden per Display von der Leitstelle in den Krankenwagen übermittelt. Nach Eintreffen beim Patienten schildert der Betroffene die Beschwerden. Lisa Senger versucht ein Krankheitsbild festzustellen und schlägt vor, den Betroffenen in die Klinik mitzunehmen. Das erweist sich aber als schwierig, da der Patient beim Treppensteigen in Panik gerät. Lisa spricht mit Engelsgeduld auf den Patienten ein. Sie versucht ihn mit all ihrer Überzeugungskraft dazu zu bewegen, selbstständig die Treppe zu nutzen. Einfach deshalb, weil nach einigen Tests nichts auf einen Bandscheibenvorfall hindeutet. Doch immer wieder bekommt er eine Panikattacke und es bleibt nichts anderes übrig, als ihn die Treppe hinunter zu tragen. Das diffuse Krankheitsbild macht es schwierig, den Patienten einer Spezialabteilung im Krankenhaus zuzuweisen. Dieser Einsatz war sehr kräftezehrend. Nicht nur für die Muskulatur. Nach drei Einsätzen am Morgen geht es zunächst zurück zur Zentrale wo alle kurz durchschnaufen können. Wichtig ist nach jedem Einsatz, den Innenraum zu desinfizieren und wieder für den nächsten Einsatz zu präparieren. Auch das Notarzteinsatzfahrzeug wird dabei überprüft. Das führt einem vor Augen, mit was für schlimmen Situationen und Unfällen die weißen Engel immer wieder konfrontiert werden können. „Vor zwei Jahren hatten wir zum Beispiel einen schweren Unfall, bei dem wir einenhalb Stunden benötigt haben, um das Opfer aus der Karosserie zu bergen“, erzählt Einsatzleiter Markus Schlipf. Häufig muss bei schweren Unfällen sehr schnell entschieden werden, wie gehandelt wird, um ein Menschenleben zu retten.
Um 14 Uhr ist erneut Schichtwechsel und die Übergabe an das neue Team erfolgt reibungslost. Auch hier kann der nächste Einsatz gleich bevorstehen. Deshalb ist schon alles für die nächste Schicht vorbereitet. Ganz nach dem Motto: "Man muss als Notfallsanitäter immer bereit und bestens präpariert sein."
Lisa Senger bereut die Wahl ihrer Ausbildung nicht: "Wer sich für diesen Beruf entscheidet, entscheidet sich für das Leben und den Menschen", erklärt sie. Arbeiten im Team und Vertrauen ineinander seien dabei unablässig und für den Patienten oft überlebenswichtig. Die junge Frau betont: "Es ist ein Beruf, der die Sicht auf das Leben grundlegend verändert."
Text: Sonja Fritz, Fotos: Christian Frumolt